Pflegefall der Eltern: Unterhaltspflichten, Vermögensverwertung und rechtliche Rahmenbedingungen im Spannungsfeld zwischen Verantwortung und finanzieller Belastung.
Eine komplexe Situation: Wenn ein Elternteil pflegebedürftig wird und in ein Pflegeheim muss, stellen sich zahlreiche Herausforderungen. Neben der Schwierigkeit, einen geeigneten Platz zu finden, tritt auch das Thema der Finanzierbarkeit in den Vordergrund. Eine vorausschauende Planung, wie etwa der Abschluss einer Pflegeversicherung, kann hier von großem Vorteil sein.
Diese Versicherung dient dem Schutz des Vermögens. Reicht die Versicherungssumme nicht aus, bleibt oft nur die Verwertung des vorhandenen Vermögens.
In diesem Artikel erläutern wir die wesentlichen Aspekte, die dabei zu beachten sind.
1. Grundsätzliches zur Unterhaltspflicht gemäß Sozialgesetzbuch (SGB)
- Unterhaltsverpflichtung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB): Die Unterhaltspflicht von Kindern gegenüber ihren Eltern ist im § 1601 BGB geregelt. Demnach sind Verwandte in gerader Linie einander zum Unterhalt verpflichtet, also auch Kinder gegenüber ihren pflegebedürftigen Eltern.
- Sozialhilfe und Elternunterhalt (SGB XII): Wenn die Pflegekosten die Rente und das Vermögen der Eltern übersteigen, tritt das Sozialamt ein. Allerdings versucht das Sozialamt, einen Teil der Pflegekosten von den Kindern zurückzuholen. Diese Rückforderung ist im § 94 SGB XII geregelt.
2. Voraussetzungen für die Unterhaltspflicht
- Einkommens- und Vermögensgrenze der Kinder: Kinder sind nur dann zum Elternunterhalt verpflichtet, wenn sie finanziell dazu in der Lage sind. Das bedeutet:
- Selbstbehalt: Kindern steht ein monatlicher Selbstbehalt zu, der nicht angetastet wird. Dieser liegt bei 2.000 Euro (Stand 2023) netto monatlich. Der Selbstbehalt kann sich erhöhen, wenn das Kind selbst unterhaltspflichtig ist (z. B. gegenüber eigenen Kindern oder Ehepartnern).
- Vermögen: Kinder müssen nur in Ausnahmefällen ihr Vermögen (z. B. Immobilien) für den Elternunterhalt einsetzen. Es gibt jedoch einen Schonbetrag für Altersvorsorgevermögen.
3. Ausnahmen von der Unterhaltspflicht
- Haftung nach Einkommen: Reichen das Einkommen und Vermögen der Kinder nicht aus, um Unterhalt zu leisten, sind sie nicht verpflichtet, für die Pflegekosten aufzukommen.
- Begrenzung durch das Angehörigen-Entlastungsgesetz: Seit dem 1. Januar 2020 gilt eine Einkommensgrenze von 100.000 Euro brutto. Kinder mit einem jährlichen Bruttoeinkommen unterhalb dieser Grenze sind nicht verpflichtet, für die Pflegekosten der Eltern aufzukommen (§ 94 Abs. 1a SGB XII).
- Härtefälle: In bestimmten Fällen kann eine Pflicht entfallen, z. B. wenn das Eltern-Kind-Verhältnis gestört ist, etwa bei langjähriger Kontaktlosigkeit oder Misshandlungen in der Vergangenheit. Dies muss allerdings gut begründet werden und wird individuell geprüft.
4. Berechnung des Elternunterhalts
- Anrechnung des Einkommens: Das Einkommen der Kinder wird überprüft. Vom Nettoeinkommen werden verschiedene Ausgaben wie der Selbstbehalt, Kreditverpflichtungen und notwendige Lebenshaltungskosten abgezogen. Nur das darüber hinausgehende Einkommen kann für den Elternunterhalt herangezogen werden.
- Pflegekosten und Sozialhilfe: Das Sozialamt übernimmt die Pflegekosten der Eltern, wenn deren eigenes Einkommen und Vermögen nicht ausreicht. Im Anschluss prüft es, ob die Kinder leistungsfähig sind und wie viel sie zur Deckung der Pflegekosten beitragen müssen.
5. Haftung der Kinder bei Pflegeheimkosten
- Eigenanteil der Eltern: Eltern müssen zunächst ihr eigenes Einkommen (z. B. Rente) und Vermögen (z. B. Ersparnisse) einsetzen, bevor Kinder in die Pflicht genommen werden.
- Leistung durch Sozialhilfe: Wenn das Einkommen der Eltern nicht ausreicht, springt die Sozialhilfe ein. Die Kinder werden danach geprüft, ob sie leistungsfähig sind (siehe Einkommensgrenze von 100.000 Euro).
- Eine Einkommens- und Vermögensauskunft der Nachkommen kann vom Sozialamt nur bei Vorliegen von hinreichenden Anhaltspunkten verlangt werden.
6. Das Eigenheim des Pflegebedürftigen oder seiner Nachkommen
Schutz des Eigenheims des Pflegebedürftigen
- Vermögenseinsatz für Pflegekosten: Grundsätzlich müssen Pflegebedürftige, bevor sie staatliche Sozialhilfe (SGB XII) in Anspruch nehmen können, ihr eigenes Einkommen und Vermögen zur Deckung der Pflegekosten einsetzen. Hierbei gilt jedoch:
- Angemessenes Wohneigentum: Das eigene Haus oder die eigene Wohnung des Pflegebedürftigen gilt als sogenanntes angemessenes Wohneigentum, wenn es für die Lebensführung des Pflegebedürftigen oder seiner Angehörigen weiterhin benötigt wird. Dies ist in § 90 SGB XII geregelt.
- Schonvermögen: Solange der Pflegebedürftige oder der Ehepartner bzw. andere enge Angehörige im Haus wohnen, wird dieses Vermögen als „angemessenes Wohneigentum“ geschützt und darf nicht verwertet werden. Das bedeutet, dass der Staat das Eigenheim nicht für die Pflegekosten heranziehen kann.
Verwertung des Hauses nach Umzug ins Pflegeheim
•Eigennutzung entfällt: Wenn der Pflegebedürftige dauerhaft in ein Pflegeheim umzieht und das Eigenheim nicht mehr selbst nutzt und nicht von nahen Angehörigen (z. B. Ehepartner) bewohnt wird, kann das Sozialamt grundsätzlich darauf bestehen, dass das Haus verkauft oder beliehen wird, um die Pflegekosten zu decken.
•Härtefälle: In besonderen Härtefällen kann das Sozialamt jedoch auf eine Verwertung des Hauses verzichten, etwa wenn eine Veräußerung des Hauses die wirtschaftliche Existenz des Ehepartners oder eines pflegebedürftigen Angehörigen gefährden würde.
Schutz des Eigenheims von Nachkommen
- Unterhaltspflichtige Nachkommen: Das Eigenheim von unterhaltspflichtigen Kindern ist ebenfalls geschützt, wenn es der eigenen Lebensführung dient und „angemessen“ ist. Das Sozialamt kann nicht verlangen, dass Kinder ihr Eigenheim verkaufen, um die Pflegekosten ihrer Eltern zu finanzieren. Das Eigenheim fällt somit unter das sogenannte Schonvermögen, das auch zur Altersvorsorge dient.
- Vermögensprüfung bei Kindern: Bei der Prüfung des Vermögens der Kinder wird das eigene Wohnhaus in der Regel nicht als verwertbares Vermögen angesehen, solange es der Wohnzwecken dient. Diese Regelung gilt gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII, der das Schonvermögen festlegt.
- Angemessenheit bei Häusern: Es wurde eine Wohnfläche von 130 qm bzw. bei Eigentumswohnungen von 120 qm für vier Personen als angemessen angesehen (für weitere Personen sind 20 qm hinzuzurechnen, bei weniger als vier Personen sind jeweils 20 qm abzuziehen). Hinsichtlich der angemessenen Grundstücksgröße wurde bspw. bei Reihenhäusern von 250 qm, bei Doppelhaushälften und Reihenendhäusern von bis zu 350 qm und bei freistehenden Häusern von bis zu 500 qm ausgegangen.
Sonderregelungen für das Eigenheim
- Wohnrecht oder Nießbrauch: Wenn beispielsweise Kinder in einem Haus wohnen, das den Eltern gehört, können sie ein Wohnrecht oder Nießbrauch haben. Solche Rechte schützen das Eigenheim vor einer Verwertung durch das Sozialamt, da die Kinder weiterhin ein Nutzungsrecht an der Immobilie haben.
- Übertragung des Hauses zu Lebzeiten: Wenn der Pflegebedürftige das Haus bereits zu Lebzeiten auf seine Kinder übertragen hat, kann das Sozialamt unter bestimmten Umständen (z. B. innerhalb der letzten 10 Jahre vor dem Pflegefall) versuchen, diese Schenkung rückgängig zu machen oder eine Rückforderung geltend zu machen. Dabei spielt der Zeitpunkt der Schenkung eine wesentliche Rolle.
Zusammenfassung Eigenheim als Schonvermögen
- Für den Pflegebedürftigen selbst: Solange der Pflegebedürftige oder ein naher Angehöriger (z. B. Ehepartner) das Haus bewohnt, ist es geschützt und muss nicht für die Pflegekosten eingesetzt werden.
- Für die Nachkommen: Das Eigenheim von unterhaltspflichtigen Kindern wird in der Regel ebenfalls geschützt, wenn es der eigenen Lebensführung dient und nicht übermäßig groß oder luxuriös ist.
- Verwertung des Hauses nach Umzug ins Pflegeheim: Wenn das Eigenheim nicht mehr von Angehörigen genutzt wird, kann es unter Umständen verkauft oder beliehen werden, um Pflegekosten zu decken. Es gibt jedoch Ausnahmen, etwa in Härtefällen.
Quellen:
- Sozialgesetzbuch § 90 SGB XII: Einsetzen von Vermögen (Schonvermögen)
- Bundesministerium für Gesundheit: Sozialhilfe und Pflege
- Frag-einen-Anwalt.de: Eigenheim und Pflegeheim – was passiert mit dem Haus?
- Bundesministerium für Gesundheit: Online-Ratgeber zur Pflege
- Sozialgesetzbuch (SGB XII): § 94 Unterhaltsrückgriff
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): § 1601 Unterhaltsverpflichtung
- Frag-einen-Anwalt.de: Elternunterhalt – wann müssen Kinder zahlen?
Haftungsausschluss:
Dieser Artikel dient ausschließlich allgemeinen Informationszwecken und stellt keine rechtliche, steuerliche oder versicherungstechnische Beratung dar und ersetzt diese in keinem Fall.
Trotz sorgfältiger Prüfung wird keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der Inhalte übernommen